Am 9. November jährte sich die Reichspogromnacht zum 84. Mal. Auch wir am GiL haben in einer Veranstaltung mit der Jahrgangsstufe 9 dieses Datums gedacht. Neben der Erinnerung an das historische Ereignis war es uns wichtig, einen Bogen zu schlagen von der menschenverachtenden Ideologie der Nationalsozialisten zu unserer heutigen Situation und dem erneuten Erstarken von Rechtsextremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Zu diesem Zweck hatten das Projekt „Schule ohne Rassismus am GiL“ und die Fachschaft Geschichte Nils Oskamp erneut an das GiL eingeladen.
Zu Beginn der Veranstaltung erinnerte Benedikt Berghoff an Rudolf und Paula Boldes, deren Möbelgeschäft in der Hülsstraße vom 9. auf den 10. November 1938 angezündet wurde. Das GiL übernahm vor einigen Jahren die Patenschaft des GiL für die Stolpersteine in der Nähe unserer Schule. Obwohl Rudolf Boldes bis weit in die 30er-Jahre nicht wahrhaben wollte, dass seine Mitbürger, Nachbarn und Bekannte aus Marl sich gegen ihn und seine Familie wenden könnten, weil sie Juden waren, wurden die Boldes bis zum Brandanschlag auf ihr Geschäft und Wohnhaus immer mehr schikaniert und ausgegrenzt. Rudolf Boldes hatte im Ersten Weltkrieg für Deutschland gekämpft, wurde im Krieg verwundet und hatte sogar das Eiserne Kreuz erhalten. Er identifizierte sich mit seinem Land und den Menschen und sagte immer wieder zu seinem Sohn Berthold: „Sowas passiert in Deutschland nicht!“ Doch es passierte. 1942 wurden seine Frau und er nach Riga deportiert und dort ermordet. Die Geschichte von Rudolf und Paula mahnt uns, unser freies und friedliches Zusammenleben in Deutschland nicht als selbstverständlich anzunehmen, sondern uns aktiv für eine demokratische Gesellschaft einzusetzen.
In einem packenden Vortrag erzählte Nils Oskamp anschließend von seinen Erfahrungen während seiner Schulzeit in Dortmund-Dorstfeld und der rechten Szene in den 80er-Jahren. Die Schülerinnen und Schüler lauschten gebannt seinem sehr abwechslungsreichen Vortrag. Es wurde deutlich, dass Rechtsextremisten und Neonazis versuchen, ein Klima der Angst zu erzeugen, in dem Andersdenkende mundtot gemacht werden sollen. Außerdem wurde Nils Oskamp nicht nur einmal zum Opfer von Gewalt und Bedrohung. Dennoch konnten ihm in diesen für ihn schwierigen Zeiten die Nazis seinen Humor nicht nehmen. So „dekorierte“ er einmal die Nazi-Schmiererei „Deutschland erwache!“ in der lokalen Eislaufhalle mit Croissants, Brötchen und einer Tasse Kaffee und ergänzte: „Frühstück ist fertig!“ Nazis verstehen einfach keinen Spaß!
Immer wieder unterbrach Herr Oskamp seine Lesung, um geschichtliche und politische Hintergründe zu erläutern, Entscheidungen und Schwierigkeiten beim Zeichnen der Graphic Novel zu erklären und Zusammenhänge zu heutigen Personen und Entwicklungen in der rechten Szene aufzuzeigen. Die Bilder aus seinem Buch wurden währenddessen hinter ihm projiziert und Soundeffekte ließen noch tiefer in die Geschichte eintauchen. In einem Block während der Lesung aus dem Buch, stellte er sich den Fragen der Schülerinnen und Schüler und diskutierte mit ihnen.
Nach den zwei Schulstunden waren viele Zuhörer begeistert und geschockt zugleich, denn es wurde klar, wie nah das Phänomen Rechtsextremismus ist und wie schnell man ins Visier von Rechten geraten kann, wenn man gegen sie Position bezieht. Ein Grund mehr, uns weiterhin für ein offenes, tolerantes und mitmenschliches Schulklima einzusetzen! Vielen Dank Nils Oskamp für diesen erneuten Motivationsschub!
Weitere Fotos zur Veranstaltung werden noch folgen. Informationen zu Nils Oskamp und „Drei Steine“ sind hier zu finden:
Text: Benedikt Berghoff; Foto: GiL-Redaktion