Auch in diesem Jahr konnte unsere Stufe Q2 Frau Halina Birenbaum, Überlebende des Konzentrationslagers in Auschwitz, als Zeitzeugin hören. In einer zweistündigen Veranstaltung in der Aula sprach Halina Birenbaum zu den Schülerinnen und Schülern, die interessiert und aufmerksam den erschütternden Bericht verfolgten. Unser Dank geht an die mittlerweile 89-jährige Zeitzeugin, die diese wichtige Aufklärungsarbeit auch in ihrem fortgeschrittenen Alter noch so engagiert wahrnimmt und an Christel Schrieverhof, die Frau Birenbaum begleitet und uns folgenden Informationstext zur Verfügung gestellt hat:
Halina Birenbaum ist 1929 in Warschau geboren, ihre Jugend muss sie im Warschauer Ghetto und in den Konzentrationslagern Majdanek, Auschwitz und Ravensbrück verbringen. Als sie 1945 befreit wurde, war sie 15 Jahre alt.
Sie kehrt nach Warschau zurück und findet dort ihren Bruder, den einzigen Überlebenden
ihrer Familie. Der Kontakt zu einer Kibbuzgruppe, die sich auf die Ausreise nach Palästina
vorbereitet, führt Halina Birenbaum über einen mehrmonatigen Aufenthalt in Deutschland
nach Paris, wo sie zunächst zögert, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen; schließlich emigriert sie 1947 nach Israel.
Der Anfang in Israel ist hart, die Realität im Kibbuz entspricht nicht ihren Erwartungen;
während der Aufbaujahre unter Kriegsbedingungen ist außerdem niemand an den Erfahrungen während ihrer Leidenszeit in den Konzentrationslagern interessiert. In mehrerlei Hinsicht enttäuscht, versucht Halina Birenbaum, inzwischen verheiratet, sich im Süden TelAvivs eine neue Existenz aufzubauen. Zwei Söhne wachsen dort zunächst unter schwierigenBedingungen auf. Schließlich findet die Familie eine gesicherte Existenz in Herzlia, der Partnerstadt von Marl. Mitte der sechziger Jahre erscheint ihr erstes Buch „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, in ihrer Muttersprache polnisch, es folgen schnell die englische und deutsche Übersetzung des Buches. Das Leben und der Tod in der Besatzungszeit, das Martyrium der polnischen Judenin den Ghettos und in den Konzentrationslagern bilden das Hauptthema von Prosa und Dichtung Halina Birenbaums.
1986 kehrt sie erstmals nach Auschwitz zurück, in den folgenden Jahren werden ihre Besuche in Polen häufiger; als Zeitzeugin arbeitet sie mit den pädagogischen Mitarbeitern in Auschwitz zusammen. Seit einiger Zeit nimmt sie die Aufgabe der Sprecherin des Komitees der Auschwitz-Überlebenden wahr.
Der ersten Reise nach Deutschland 1989 folgen viele weitere, besonders auch an den Schulen in der Partnerstadt Marl, denn ihre Erfahrungen möchte sie besonders an junge Menschen weitergeben. Im Mittelpunkt ihrer Erzählungen steht der Überlebenskampf im Warschauer Ghetto und in Auschwitz. Diese Orte nehmen in den Veranstaltungen mit Halina Birenbaum ebenso konkrete Gestalt an, wie die in den Vernichtungslagern ermordeten Angehörigen ihrer Familie.
Am 27.1.2015 hielt Halina Birenbaum als Ehrengast und Sprecherin der Holocaust-Überlebenden eine international viel beachtete und gewürdigte Rede zum 70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz auf der großen internationalen Gedenkveranstaltung auf dem
ehemaligen Gelände des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau.
„Den Opfern ein Gesicht geben“ ist das zentrale Anliegen von Halina Birenbaum. Ihre
Berichte, ihre Antworten auf viele Fragen, die – vor allem mit Blick auf die in ihren Unterarm eintätowierte Nummer – nicht einfach zu stellen sind, lassen die Vergangenheit auf eine Weise lebendig erscheinen, wie es nur durch Zeitzeugen möglich ist.
Gleichzeitig überzeugt diese kleine energische Frau in ihrem Überlebensmut und ihrem Willen zur Verständigung – übrigens auch im Hinblick auf das Zusammenleben von Israelis und Palästinensern.
Literatur:
Halina Birenbaum, Die Hoffnung stirbt zuletzt, Auschwitz 1993 / Frankfurt 1995
Halina Birenbaum, Rückkehr in das Land der Väter. Erinnerungen, Frankfurt 1998
Ralf Thier-Hirse/Ernst Spranger (Hrsg.), Halina Birenbaum: Das Leben als Hoffnung,
Münster 2004
Halina Birenbaum, Jeder zurückgewonnene Tag, Erinnerungen, Marl 2004
https://de.wikipedia.org/wiki/
Halina_Birenbaum
Video vom 27.1.2015
http://www.daserste.de/information/politik