Kein Ort für alte und neue Nazis!

Heute am 9. November jährt sich die Reichspogromnacht zum 80. Mal. Auch wir am GiL haben in einer Veranstaltung mit der Jahrgangsstufe 9 dieses Datums gedacht. Neben der Erinnerung an das historische Ereignis war es uns wichtig, einen Bogen zu schlagen von der menschenverachtenden Ideologie der Nationalsozialisten zu unserer heutigen Situation und dem erneuten Erstarken von Rechtsextremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Zu diesem Zweck hatten das Projekt „Schule ohne Rassismus am GiL“ und die Fachschaft Geschichte Nils Oskamp für den gestrigen 8. November eingeladen.

Dieser begann seine Lesung aus seiner Graphic Novel „Drei Steine“ gleich mit einem weiteren geschichtsträchtigen Jubiläum. Denn vor 50 Jahren ohrfeigte Beate Klarsfeld, die ehemalige Bundespräsidenten-Kandidatin und bekannte Nazijägerin, Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger und befeuerte damit die Debatte um die Nazivergangenheit westdeutscher Politiker und personelle Kontinuitäten vor und nach 1945.

In einem packenden Vortrag erzählte Nils Oskamp anschließend von seinen Erfahrungen während seiner Schulzeit in Dortmund-Dorstfeld und der rechten Szene in den 80er-Jahren. Die Schülerinnen und Schüler lauschten gebannt seinem sehr abwechslungsreichen Vortrag. Es wurde deutlich, dass Rechtsextremisten und Neonazis versuchen, ein Klima der Angst zu erzeugen, in dem Andersdenkende mundtot gemacht werden sollen. Außerdem wurde Nils Oskamp nicht nur einmal zum Opfer von Gewalt und Bedrohung. An vielen Stellen trat aber auch der (Ruhrgebiets-)Humor des Autors zutage, der die Nazis an ihrem wunden Punkt traf, denn „Nazis haben keinen Humor!“

Immer wieder unterbrach Herr Oskamp seine Lesung, um geschichtliche und politische Hintergründe zu erläutern, Entscheidungen und Schwierigkeiten beim Zeichnen der Graphic Novel zu erklären und Zusammenhänge zu heutigen Personen und Entwicklungen in der rechten Szene aufzuzeigen. Die Bilder aus seinem Buch wurden währenddessen hinter ihm projiziert und Soundeffekte ließen noch tiefer in die Geschichte eintauchen. In zwei Blöcken, während und nach der Lesung aus dem Buch, stellte er sich den Fragen der Schülerinnen und Schüler und diskutierte mit ihnen.

Nach den zwei Stunden waren viele Zuhörer begeistert und geschockt zugleich, denn es wurde klar, wie nah das Phänomen Rechtsextremismus ist und wie schnell man ins Visier von Rechten geraten kann, wenn man gegen sie Position bezieht. Ein Grund mehr, uns weiterhin für ein offenes, tolerantes und mitmenschliches Schulklima einzusetzen! Vielen Dank Nils Oskamp für diesen erneuten Motivationsschub!

Weitere Fotos zur Veranstaltung werden noch folgen. Informationen zu Nils Oskamp und „Drei Steine“ sind hier zu finden:

www.oskamp.de/presskit.pdf

 

 

 

Grußwort von Benedikt Berghoff zur Veranstaltung:

Liebe Schülerinnen und Schüler,

wir treffen uns heute hier in der Aula anlässlich eines Ereignisses, das morgen, am 9. November, vor 80 Jahren stattfand.

Am 9. November 1938 brannten in ganz Deutschland jüdische Geschäfte, jüdische Einrichtungen und Synagogen. Auch hier in Marl in der Hülsstraße befand sich das Möbelgeschäft der Familie Boldes, das in der Nacht vom 9. auf den 10. November angezündet wurde. Anschließend wurde das Ehepaar Boldes nach einer Station im sogenannten Judenhaus in Recklinghausen, wo jüdische Menschen gesammelt wurden, nach Riga deportiert und ermordet. Das GiL hat die Patenschaft für die beiden Stolpersteine von  Berthold und Paula Boldes übernommen, und Ihr werdet – falls das nicht schon geschehen ist – im Geschichtsunterricht darüber sprechen.

Wir treffen uns aber heute nicht nur hier, um uns an die Vergangenheit zu erinnern. Das wäre zu einfach. Auch heute erfährt man in den Nachrichten immer öfter von Gewalt gegenüber jüdischen Menschen, beispielsweise wenn in Chemnitz ein jüdisches Restaurant von Neonazis attackiert wird oder Juden auf offener Straße diskriminiert und angepöbelt werden. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass in Deutschland im letzten Jahr von Rechtsextremisten und Neonazis durchschnittlich fast jeden Tag ein Anschlag auf Asylbewerberheime verübt wurde. Und wir sollten auch nicht vergessen, dass es heute wieder mehr Menschen gibt, die versuchen die Nazizeit kleinzureden, zu verharmlosen oder selbstverständlich Begriffe wie „Umvolkung“ oder „Überfremdung“ benutzen, die direkt aus der Sprache der Nationalsozialisten stammen. Nicht nur sind wir als Schülerinnen und Schüler, als Lehrerinnen und Lehrer einer „Schule gegen Rassismus“ dazu aufgerufen, uns gegen Diskriminierung zu wehren, sondern auch als Menschen, die jeden Tag mit Mitschülerinnen und Mitschülern ganz unterschiedlicher Herkünfte und Kulturen zu tun haben.

Jemand, der uns etwas darüber erzählen kann, wie es ist, ins Visier von Neonazis zu geraten, ist Nils Oskamp. Und er kann eine Geschichte davon erzählen, was es für ihn persönlich bedeutet hat, sich gegen diese Menschen zu wehren.

Vielen Dank und herzlich willkommen Nils Oskamp!

 

PS: Das GiL ist eine „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Wir haben die Patenschaft für die Stolpersteine für die Familie Boldes in der Marler Hülsstraße übernommen. Das Thema Nationalsozialismus ist Stoff des Geschichtsunterrichts in der Jahrgangsstufe 9 und wir fühlen uns den Grundsätzen unseres Schulprogramms und des Lehrplans Geschichte verpflichtet. Daher ist es uns ein besonderes Anliegen, die Erinnerung an die nationalsozialistische Vergangenheit und die Gefahren von rassistisch motivierter Gewalt in unserer Schulgemeinschaft wachzuhalten und mit unseren Schülerinnen und Schülern zu thematisieren.

Redaktion und Foto: Benedikt Berghoff