Holocaust-Gedenktag am 27. Januar: Wie soll man heute angemessen mit dieser Geschichte umgehen?

Am Samstag nahmen die Schülerinnen und Schüler des Koop-Leistungskurses Geschichte am GiL an der Gedenkfeier zum Holocaust- Gedenktag der Stadt Marl teil. Die Veranstaltung stand unter dem Titel „Wege der Erinnerung“. Wir hörten u.a. einen Vortrag des Historikers und Politikwissenschaftlers Michael Sturm vom Geschichtsort Villa ten Hompel in Münster und der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Münster, der sich unter dem Titel „Nie wieder! – Aber wie?“ mit Möglichkeiten und Grenzen der Gedenkstättenarbeit auseinandersetzte. Halina Birenbaum, die in dieser Woche bereits am GiL und am ASGSG von ihren schrecklichen Erfahrungen in verschiedenen Konzentrationslagern und im Warschauer Getto erzählt hatte, trug einige ihrer Gedichte vor. In einem Film des Städtepartnerschaftsvereins Marl-Zalaegerszeg-Krosno wurden Bilder des Auschwitz-Besuchs des Vereins mit historischen Aufnahmen des Vernichtungslagers verknüpft. Dazu spielte Michael Kuntze auf seiner Violine die ergreifende Melodie aus „Schindlers Liste“.

Der Leistungskurs stellte bei der Veranstaltung einige Ergebnisse der Unterrichtsreihe zum Umgang mit der NS-Vergangenheit in den beiden deutschen Staaten nach 1945 und in der heutigen Zeit vor. Teil dieser Ausstellung waren auch Vorschläge der Schülerinnen und Schüler, wie heute konkrete Projekte aussehen könnten, um der NS-Vergangenheit und speziell des Holocaust zu gedenken. Die Betrachter konnten sich mithilfe von Klebepunkten zu den Vorschlägen oder bestimmten Aussagen positionieren und sollten so miteinander ins Gespräch über einen angemessenen Umgang mit diesem Thema kommen.

Im Folgenden finden Sie den Begleittext zur Ausstellung:

NS-Zeit und Holocaust
Wie sollen wir heute angemessen mit dieser Vergangenheit umgehen? 

Es scheint, als stelle sich diese Frage heutigen Schülerinnen und Schülern in doppelter Hinsicht.

Einerseits individuell: Denn Schülerinnen und Schüler fragen immer wieder – im Grunde von Beginn der Klasse 5 an – wann das Thema NS-Zeit endlich behandelt werde. Sie erkennen früh, dass das Thema ‚irgendwie wichtig’ ist. Dennoch setzt sich der Geschichtsunterricht erst in der Jahrgangsstufe 9 intensiv mit diesem Gegenstand auseinander. Gleichzeitig sind Schülerinnen und Schüler einer Vielzahl medialer Deutungen des Themas ausgesetzt, die von Dokumentationen, Spielfilmen, Artikeln, Sachbüchern, Video- und Computerspielen bis hin zu unterschiedlichsten ‚Informationen’ und Meinungsäußerungen in sozialen Medien reichen – und das häufig bevor sie ein belastbares Grundwissen erlangt haben, um Deutungen einordnen und hinterfragen zu können.

Andererseits gesellschaftlich: Denn mit dem Ableben der letzten Zeitzeugen verändert sich auch die Erinnerung an Holocaust und NS-Zeit. Wie werden wir diese Zeit in Erinnerung behalten, wenn uns niemand mehr davon berichten kann? Welchen Einfluss haben Globalisierung und europäische Integration auf Gedenken und Gedächtnis? Gilt der Nachkriegskonsens des „Nie wieder!“ noch in einer Zeit, in der Teile einer im Bundestag vertretenen Partei eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ (Björn Höcke) fordern?

Die Schülerinnen und Schüler haben sich im Zuge der Reihe zum Thema „Vergangenheitspolitik und ‚Vergangenheitsbewältigung’“ mit Debatten und Entwicklungen des Erinnerungsdiskurses nach 1945 beschäftigt und versucht, sich individuell und als Generation in diesem Diskurs zu positionieren. Dabei wurde deutlich, dass der Stellenwert und die Deutung, die die nationalsozialistische Vergangenheit im Nachkriegsdeutschland erhielt, auch immer wieder durch öffentliche Kontroversen (neu-)verhandelt werden musste. Den Schülerinnen uns Schülern ist die Auseinandersetzung mit dem Thema wichtig und sie haben klare Vorstellungen davon, wie ein angemessenes Gedenken aussehen könnte. Ihre Antworten unterscheiden sich allerdings in einigen Punkten sicherlich von denen früherer Generationen. Dennoch wurde in all unseren Diskussionen deutlich, dass für sie der Respekt vor den Opfern, emotionale Zugänge sowie genaue Kenntnisse im Zentrum der Auseinandersetzung mit der NS-Zeit stehen sollten.

Die Plakate und Stellwände zeigen Einblicke in die Unterrichtsreihe, Ergebnisse der Debatten in unserem Leistungskurs und laden Sie ein, sich selbst einzubringen. Was halten Sie für einen angemessenen Umgang mit NS-Zeit und Holocaust – und was nicht?

 

Redaktion: B. Berghoff