Anlässlich des Jahrestages der Kapitulation und der Befreiung Deutschlands von der NS-Diktatur, fand heute im Rathaus der Stadt Marl ein Zeitzeugengespräch mit Rolf Abrahamsson statt, dem letzten Holocaustüberlebenden in Nordrhein-Westfalen. Zu dieser Veranstaltung waren alle Geschichts-Lks der Marler Gymnasien und Gesamtschulen eingeladen und so nutzte auch der Lk der Jahrgangsstufe 11 unter Leitung von Frau Averhoff diese einmalige Gelegenheit.
Abrahamsson, der selbst aus Marl stammt und dort auch immer noch wohnt, berichtete in Anwesenheit von Bürgermeister Arndt von seinen bewegenden Erlebnissen während der NS-Zeit, von seiner Entlassung aus der Schule, die er als Jude nicht mehr besuchen durfte, der Umsiedlung nach Recklinghausen, wie sich sowohl Knappschaftskrankenhaus als auch Prosper-Hospital dort weigerten, seinen an Diphtherie erkrankten Bruder zu behandeln, der daraufhin starb, und schließlich von der Deportation ins Rigaer Ghetto zusammen mit seiner Mutter. Dort sei es am schlimmsten gewesen, seine Mutter, die der harten Zwangsarbeit nicht lange standhalten konnte, wurde erschossen. Abrahamssons Weg führte über mehrere Konzentrationslager, bis er nach dem Krieg wieder nach Marl kam, und dort ein Modegeschäft eröffnete. Interessant waren dabei auch seine Schilderungen der Situation in Marl nach dem Krieg. Häufig sei er dort den Menschen wieder begegnet, die seine Familie auf vielfältige Weise ausgegrenzt und diskriminiert hatten und an der Verwüstung seines Elternhauses in der Reichspogromnacht beteiligt gewesen waren. Niemand habe sich je bei ihm entschuldigt oder habe das Gespräch gesucht. Besonders enttäuscht habe ihn auch die Tatsache, dass Friedrich Wilhelm Willeke, der während des Krieges als NSDAP-Mitglied Bürgermeister von Marl war und während dieser Zeit aktiv dazu beigetragen hatte, dass Abrahamsson Eltern ihr Geschäft verloren, nach dem Krieg, dann als Mitglied der CDU, als Stadtdirektor die Politik in Marl weiter mit bestimmte, ohne dass dies bei der Bevölkerung zu Protest geführt habe.
Die Auswirkungen seiner Erlebnisse während der NS-Zeit belasten Abrahamsson bis heute. So berichtet er, immer noch unter Schlafstörungen zu leiden und auch das Vortragen vor Schulklassen sei für ihn jedes mal sehr belastend, sodass er dies eigentlich schon vor einigen Jahren aufgegeben hatte, für den heutigen Tag jedoch eine Ausnahme machte, wofür ihm die anwesenden Schüler und Lehrer herzlich dankten.